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14.10.2003
 

Verstand versus Gefühl

Nun sitze ich in der Straßenbahn und begebe mich an den Ort meiner Verabredung. In Gedanken gehe ich noch einmal die vergangene Woche durch und ein Gedanke blitzt in mir auf: „Mensch, was freue ich mich auf dieses Wochenende“ und während ich so in meinen Gedanken versunken bin, merke ich, wie die Anspannung der arbeitsreichen Woche von mir fällt.

Wie durch Nebel dringt eine Stimme zu mir und mit einem Ruck bin ich wieder völlig unter den anderen Fahrgästen. „Die nächste Haltestelle muß ich ja schon raus“, denke ich noch und schon sind wir angekommen. Ich habe Glück und muß mich mal nicht durch die Einsteigenwollenden kämpfen und verlasse gemütlichen Schrittes die „liebevoll“ gestaltete U- Bahn Station der Kölner Verkehrsbetriebe, wohl wissend, dass ich dieses an diesem Abend noch einmal erleben darf.

Wieder auf den Straßen von Köln angekommen merke ich schnell, dass die Wettervorhersage mal wieder nicht zum aktuellen Wetter paßt und frage mich, warum es in Ehrenfeld wohl regnet, wenn es doch gerade vor 20 Minuten im Agnesviertel noch nach einem schönen Sonnenuntergang ausgesehen hat. Aber der leichte warme Regen macht mir nichts und aus einem mir noch unerklärlichen Grund trägt er sogar dazu bei, meine stetig besser werdende Stimmung noch einmal zu puschen.

In bester Stimmung komme ich also, entgegen meines Rufes, wieder einmal pünktlich zur verabredeten Zeit an und außer den üblichen Verdächtigen sind jetzt alle anwesend. Schnell entwickelt sich ein Gespräch und jeder hat Neuigkeiten zu berichten. Die Gespräche sind nicht permanent von solch tiefschürfender Brisanz, so dass es einem durchaus die Gelegenheit gibt, sich einmal in der Lokation umzuschauen. Während ich mir die Räumlichkeiten mit ihren Gästen so ansehe, wird mir wieder bewusst, warum ich diese Gastronomie so schätze. Es ist einfach eine gute Mischung des Publikums quer durch mehrere Generation und unterschiedlichstem Couleur. Dazu noch eine angenehme Mischung unterschiedlichster Musikstile, die unüberhörbar, aber nicht aufdringlich zu vernehmen sind.

Es entwickelt sich ein Wechselspiel zwischen aktiver Gesprächsteilnahme und dem Frönen einer liebgewordenen Angewohnheit von mir- nämlich Menschen zu beobachten. Immer wieder schweift mein Blick durch die Reihen mir anonymer Menschen. Dabei erkenne ich, dass mein Blick immer wieder an einer ganz bestimmten Stelle kurz hängen bleibt. Nun gut, nicht kurz, sonder immer länger werdend. Dort befindet sich ein weibliches Wesen, was mich auf ihre spezielle Art fesselt. Ich genieße, ihr zuzusehen, wie sie sich mit ihren Freundinnen unterhält und finde ihre natürliche Art alles andere als uninteressant. Dann kommt der Punkt, an dem sich unsere Blicke treffen und mein Blick nicht mehr schweift, sondern wie erstarrt stehen bleibt. Bis mir dies gewahr wird, kreisen Gedanken in mir wie Wäsche in einem Trockner, nicht geordnet und nicht zu einem klaren Gedanken zu fassen. Ein unbewußter Reflex läßt mich lächeln und mein Verstand erkämpft sich mühevoll wieder die Oberhand und zwingt meine Augen wieder in einen andere Richtung zu schauen. Gedankenfetzen streifen mein Bewußtsein .... wie lange hast Du jetzt dort hingesehen .... habe ich sie angestarrt .... hat sie dich überhaupt angesehen ... wann kann ich wohl wieder dort hinsehen ... wird sie wieder in meine Richtung sehen ... wird sie lächeln .... wird sie mich anlächeln ....

Mein Verstand überstimmt mein Gefühl und ich versuche, mich erst einmal abzulenken, und beteilige mich wieder aktiver an der Diskussion. Aber da hat der Verstand leider die Rechnung ohne mein Gefühl gemacht. Meine Beiträge sind nicht wirklich bei der Sache und bringen mir daher im Grunde nur den Spott meiner Freunde ein. Na super, denke ich noch, diesen „Selbstvertrauensschub“ kannst Du jetzt wirklich gut gebrauchen. Aber was soll es, Du bist ja heute nicht hier, um die Beziehung Deines Lebens zu finden. Mal abgesehen davon, dass die Wahrscheinlichkeit, jemanden kennen zu lernen, gegen Null geht, wenn fünf Jungs allein unterwegs sind, um einen schönen Abend gemeinsam zu verbringen. Außerdem hast Du Dir eh nur eingebildet, dass sie dich angesehen hat. Wahrscheinlich hat sie jemanden hinter Dir beobachte, wie Du sie. Warum müssen wir immer mit dieser Ungewissheit leben? Könnte es nicht so etwas wie einen Blicksensor geben, der einem eindeutig signalisiert, dass gerade Blickkontakt hergestellt wurde. Was denkst Du Dir da eigentlich wieder für einen Schwachsinn, schließlich lässt sich dies ja auch so überprüfen und ungeachtet der noch vor kurzem einem durch den Sinn gekommenen Gedanken kehrt mein Blick wieder an die Stelle zurück, die dem Abend eine bis dato ungeahnte Wendung gegeben hat.

Dieses Mal bin ich auf das, was mich erwarten könnte, besser vorbereitet- so oder so. Mein Blick erreicht also die besagte Stelle und siehst Du, sie schaut nicht in Deine Richtung. Also war alles nur eine Einbildung, eine Wunschvorstellung und Du kannst jetzt die richtige Antwort auf den Spott Deiner Freunde geben. Aber vorher genießen wir noch für einen Moment dieses hinreißende Wesen. Über was mag sie wohl gerade mit ihrer Freundin sprechen? Ich würde sie gerne einmal lächeln sehen, irgendwie stelle ich mir dies unheimlich schön vor und während ich diesen Gedanken in mir trage, beginne ich mich wieder meinen Freunden zuzuwenden. Im letzten Augenwinkel kann ich noch erkennen, wie sie selbst ihren Blick in unsere Richtung bewegt. Also führe ich einen geschickten Positionswechsel aus, welcher mir die Gelegenheit gibt, in ihre Richtung zu sehen, ohne den Eindruck zu erwecken, bewusst in ihre Richtung zu sehen. Dachte ich noch vor Augenblicken, es wäre nur Einbildung das sie in meine Richtung sieht, so zerplatzt dies nun wie eine Seifenblase. Denn sie schaut in meine Richtung und aus einem anfänglichen Lächeln entwickelt sich so langsam aber sicher ein Strahlen auf meinem Gesicht, was bei ihr dazu führt, ebenso zu lächeln. Mir schießt ein Lied von den Wise Guys „Das Leben ist zu kurz“ durch den Kopf und ich finde ihr Lächeln bezaubernder als ich es mir gerade noch vorgestellt habe. Wenn ihre Augen nur ansatzweise so strahlen, wie es von hier erscheint, dann könnte ich mich darin verlieren. Ich verliere mich in den Sekunden und werde durch meine Freunde wieder in die Realität geholt, weil ihnen das Ganze natürlich nicht verborgen geblieben ist. Unser Blickkontakt reißt ab und es dauert eine kleine Weile, bis ich wieder dort zurückkehren kann. Ihr scheint es nicht anders ergangen zu sein und ich gewinne den Eindruck, dass nun nicht nur sie, sondern auch ihre Freundin in meine Richtung schaut.

Der Abend beginnt eine Wende zu nehmen, welche im Vorfeld nicht eingeplant war, und in meinen Gedanken beginnen sich Dinge zu rächen, welche vor einige Minuten noch nicht wesentlich waren. Warum bist Du heute nicht wie geplant zum Friseur gegangen und hast doch noch die Auswertung auf der Arbeit gemacht? Hättest Du mal diese Woche die Hemden in die Reinigung gegeben, dann würdest Du heute nicht im Shirt hier stehen? ....
Warum denke ich jetzt über unwesentliche Dinge nach, welche sich vortrefflich als Ausrede eignen oder daran es bei diesem Blickkontakt zu belassen? Anstatt sich eine gute Strategie für die nächsten Schritte zu überlegen und vor allem, was könnte man einer solcher Frau beim ersten stimmlichen Kontakt mitteilen?